Probleme im Obsorgeverfahren

Eine niederösterreichische Kollegin berichtet von einem Verfahren vor dem BG Innere Stadt Wien. Ihr Mandant ist Vater zweier minderjähriger Kinder, inzwischen zwölf und fünf Jahre alt. Im Jahr 2016 erfolgte die erste Obsorgeregelung betreffend den älteren Sohn, seit 2019 besteht auch hinsichtlich der Obsorge zu dem jüngeren Sohn Verfahrensanhängigkeit.

Die Kindesmutter hat den Kindesvater zudem mehrfach strafrechtlich belangt, wobei die Verfahren entweder eingestellt wurden bzw der Mandant freigesprochen wurde. Mit Beschluss Ende 2021 wurde ein Doppelresidenzmodell für den älteren bzw ein ausgedehntes Kontaktrecht ihres Mandanten zum jüngeren Sohn festgelegt. Aufgrund eines Antrags der Kindesmutter im Juli 2022 und eines einhergehenden Strafverfahrens gegen den Mandanten der Kollegin (welches erneut in einem Freispruch endete) erließ eine mit der Causa neu befasste Richterin einen vorläufigen Beschluss, in welchem sie dem Mandanten die Obsorge entzog und ihm ein zweistündiges, alle vierzehn Tage und im Rahmen eines Besuchscafes wahrzunehmendes (und aufgrund der eingeschränkten Kapazitäten des Besuchscafes nicht realisierbares) Kontaktrecht einräumte.

Nicht nur verletzte die Richterin damit das rechtliche Gehör des Kindesvaters, sondern stützte sie den Beschluss im Wesentlichen auf eine vermeintliche Suizidgefährdung des Kindesvaters sowie seine angebliche Gefährlichkeit gegenüber der Kindesmutter (nicht aber der Kinder selbst). Seitdem bestellte und enthob sie mehrere Sachverständigen, bestand allerdings weder auf ein Schnellgutachten, noch veranlasste sie die Sachverständigen, das Gutachten rasch durchzuführen. Darüber hinaus erfolgte in den nun 9 Monaten seit dem Beschluss keinerlei inhaltliche Auseinandersetzung mit der Causa und ist die Richterin seit Jänner 2023 für die Kollegin als Rechtsvertreterin absolut unerreichbar. Obwohl nun seit mittlerweile zwei Monaten beide Sachverständigengutachten vorliegen (welche den Beschluss aus dem Jahr 2021 vollinhaltlich bestätigen), ist bis heute kein Beschluss ergangen. Laut Auskunft der Kanzleimitarbeiterin will die Richterin trotz Eindeutigkeit der Sachverständigengutachten die Sachverständigen einvernehmen, diese sind allerdings erst Ende Sommer 2023 verfügbar. Somit ist ein Beschluss vor Herbst 2023 keinesfalls zu erwarten.

Das rechtliche Gehör ist jedenfalls zu wahren. Zudem sind gerade in sensiblen Rechtsmaterien Verzögerungen von Verfahren möglichst zu vermeiden.