Beschneidung von Rechten in Videoverhandlung

Ein Kollege aus Kärnten vertritt die beklagte Partei, ein Handelsunternehmen aus der Möbelbranche, in einem Verfahren vor dem BG für Handelssachen Wien. Es geht um ein vermeintlich unrichtig geliefertes Sofa an die Konsumentin/Zedentin. Die Bundesarbeiterkammer als Verband gemäß § 28 KSchG fordert für diese Konsumentin den Kaufpreis für das Sofa zurück. Den erlassenen Zahlungsbefehl hat der Kollege auftragsgemäß beeinsprucht.

Der Richter hat angesichts COVID-19 vorgeschlagen, die vorbereitende Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung, die für den 11.12.2020 anberaumt wurde, im Rahmen einer Zoom-Konferenz abzuhalten. Damit haben sich beide Parteienvertreter einverstanden erklärt, wobei jedoch explizit einer Einvernahme von Parteien und Zeugen via Zoom widersprochen wurde.

Die klagende Partei hat erst am 04.12.2020 einen vorbereitenden Schriftsatz samt Urkundenvorlage per ERV eingebracht, auf den der Kollege daher nicht mehr fristgerecht (binnen Wochenfrist des § 257 Abs 3 ZPO) replizieren konnte.

Im Zuge der via Zoom abgehaltenen vorbereitenden Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung hat der Rechtsanwalt auf das Vorbringen der klagenden Partei kursorisch mündlich repliziert, dabei auch einen Zeugen und eine wesentliche Urkunde (den Bezug habenden unterfertigten Kaufvertrag) als Beweis angeboten und beantragt, ihm aus zuvor dargelegten Gründen eine Frist zur Erstattung eines replizierenden Schriftsatzes samt Urkundenvorlage zu gewähren.

Dem hat der zuständige Richter nicht entsprochen und bekanntgegeben, dass er die Sache für entscheidungsreif hielte. Auf die Frage des Rechtsanwalts, wie dieser nun die wesentliche Urkunde in der via Zoom abgehaltenen Tagsatzung vorlegen solle, erhielt er keine Antwort, was möglicherweise auch auf die schlechte Qualität der Zoom-Verbindung zurückzuführen sein könnte. Der Richter hat die Verhandlung sodann geschlossen und die Parteienvertreter aufgefordert, die Kostennoten elektronisch vorzulegen und auszutauschen.

Durch den Umstand, dass die Vorlage einer wesentlichen Urkunde im Rahmen einer via Zoom abgehaltenen Tagsatzung nicht möglich ist und der Gesetzgeber für diesen Fall auch keine Vorkehrungen getroffen hat, ist die Mandantschaft des Kollegen in Rechten, eine unberechtigte Forderung abzuwehren und zu diesem Zweck dienliche Urkunden vorzulegen, beschnitten, was mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens nicht in Einklang zu bringen ist.

Der ÖRAK fordert, dass im Falle einer technisch schlechten Zoom-Verbindung die Verhandlung unterbrochen bzw erstreckt wird und über Antrag (falls man es nicht erneut mit einer Verhandlung via Zoom versuchen möchte), als Präsenzverhandlung weitergeführt wird. Die Möglichkeit der Vorlage von Urkunden muss jedenfalls auch technisch vorgesehen werden. In einer als vorbereitende Tagsatzung ausgeschriebenen Tagsatzung via Zoom (die der Sache nach einem Rechtsgespräch und der Vorbereitung der Beweisaufnahme dient) soll entweder kein Schluss der Verhandlung erfolgen oder maximal nach § 193 ZPO mit jedenfalls einer Möglichkeit, Urkunden nachträglich binnen einer Frist vorzulegen.