Verteidigungskostenersatz

Anders als in Zivilverfahren sieht die österreichische Rechtsordnung in Strafverfahren keinen allgemeinen Kostenersatz vor. Lediglich in § 393a StPO ist ein „Beitrag zu den Kosten der Verteidigung“ vorgesehen, doch ist dieser mit in keiner Weise kostendeckenden Maximalbeträgen begrenzt, die noch dazu in der Praxis kaum zugesprochen werden. Im Falle der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens steht nach geltender Rechtslage überhaupt kein Kostenbeitrag zu. De facto haben daher Beschuldigte, die vom Gericht freigesprochen oder deren Ermittlungsverfahren eingestellt wurden, die ihnen erwachsenen Verfahrenskosten – neben allen sonstigen Nachteilen des Verfahrens – selbst zu tragen. Dies ist angesichts der oft langen Dauer, des Umfangs und der Komplexität der Verfahren sowie aufgrund der Belastungen durch Strafverfahren rechtsstaatlich nicht vertretbar. Bereits die letzten beiden Regierungsprogramme[1] sahen die Erhöhung bzw Einführung des Kostenersatzes im Falle eines Freispruchs vor.

Der ÖRAK fordert die Einführung eines angemessenen, fairen Kostenersatzes bei Freisprüchen in Strafverfahren und Einstellungen von Ermittlungsverfahren und erachtet dies als rechtsstaatlich dringend geboten.

Der ÖRAK ist mit seiner Forderung an das BMJ herangetreten und stand mit diesem bzgl der Gestaltung einer Neuregelung in einem sehr konstruktiven Austausch. Nach umfassenden Verhandlungen ging schließlich am 24.04.2024 der Gesetzesentwurf zum Verteidigungskostenersatz in Begutachtung.

Dieser sieht erfreulicherweise eine deutliche Erhöhung des Verteidigungskostenersatzes bei Freisprüchen in Hauptverfahren, gestaffelt nach dem zuständigen Gericht vor:

-Bezirksgericht bis zu € 5.000,– (bisher max. € 1.000,– )
-Einzelrichterin bzw Einzelrichter am Landesgericht bis zu € 13.000,– (bisher max. € 3.000,– )
-Schöffen- bzw Geschworenengericht bis zu € 30.000,– (bisher max.  € 5.000,–/10.000,– )

Darüber hinaus ist die Einführung eines Verteidigungskostenersatzes bei Einstellungen von Ermittlungsverfahren mit einer Höchstgrenze von € 6.000,–  vorgesehen.

Die Höchstsätze können bei komplexen Verfahren um 50 Prozent überschritten und bei Verfahren extremen Umfangs auf das Doppelte erhöht werden.

Für dieses Vorhaben werden für das Jahr 2024 insgesamt 70 Mio Euro aus dem Justizbudget zur Verfügung gestellt. Dies bedeutet eine Verdreißigfachung der bisher für den Verteidigungskostenersatz zur Verfügung stehenden Mittel. Der erhöhte Kostenersatz ist auf alle Verfahren anzuwenden, in welchen die verfahrensbeendende Entscheidung nach dem 01.01.2024  erfolgt ist.

Mit der vorgesehenen Neuregelung konnte der ÖRAK in Zusammenarbeit mit dem BMJ ein überaus wichtiges, langjähriges Anliegen der Rechtsanwaltschaft umsetzen und einen entscheidenden Meilenstein zur Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit erreichen. Der ÖRAK wird beobachten, ob die zur Verfügung stehenden Budgetmittel tatsächlich ausgeschöpft werden und sich für eine weitere Erhöhung des Budgetrahmen einsetzen, um einen angemessenen Kostenersatz in allen Verfahren sicherzustellen.

  1. Aus Verantwortung für Österreich. Regierungsprogramm 2020-2024, 28; Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017-2022, 47.