Mindeststandards für Gesetzgebungsverfahren

In den letzten Jahren fiel die Bilanz im Zusammenhang mit der Qualität der Gesetzgebung immer wieder ernüchternd aus. Mittlerweile weisen Gesetzesbegutachtungsverfahren zwar teilweise die vom Bundeskanzleramt (BKA) empfohlene Mindestfrist von sechs Wochen auf. Allerdings kommt es trotzdem noch zu deutlichen Unterschreitungen. So betrug bspw die Begutachtungsfrist des 2. Finanz-Organisationsreformgesetzes sowie des Bundesgesetzes, mit dem das AMA-Gesetz geändert wird, nur jeweils eine Woche. Beim Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird, wurden nur elf Tage Begutachtungsfrist eingeräumt. Beim 55 Seiten umfassenden Mindestbesteuerungsgesetz standen lediglich 2,5 Wochen zur Begutachtung zur Verfügung. Die Begutachtungsfrist zu den am 06.03.2024 ausgesandten Entwürfen zur EAG-Investitionszuschüsseverordnung-Strom-Novelle 2024  sowie zur EAG-Marktprämienverordnung-Novelle 2024 endete bereits am 08.03.2024! Dieser Trend der zu kurzen Begutachtungsfristen setze sich ua bei folgenden Gesetzen fort: Abgabenänderungsgesetz 2024, Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2024, Telearbeitsgesetz und Cybersicherheitszertifizierungs-Gesetz.

Noch bedenklicher war die kürzliche Handhabe iZm der Gesetzwerdung zum Gerichtsgebührengesetz. Es wurde ein einfacher Initiativantrag im Parlament eingebracht, mit welchem anlässlich eines sogenannten „Redaktionsversehens“ nur ein Wort geändert werden sollte. Im zuständigen Ausschuss wurde in weiterer Folge per Abänderungsantrag das eigentlich geplante Vorhaben der Streichung der Grundbuchseintragungsgebühr und Pfandrechtseintragungsgebühr bei Anschaffung von Wohnimmobilien zur Eigennutzung, welches in keinerlei inhaltlichem Zusammenhang mit dem ursprünglichen Initiativantrag stand, eingebracht und somit gänzlich einer Begutachtung oder vorherigen Diskussion entzogen. Dieses „System“ der Hauruck-Gesetzgebung ist jedenfalls abzulehnen. Hinzu kommt, dass die betreffenden Änderungen erst am 18.04.2024 mit BGBl I 37/2024 kundgemacht wurden und am Tag nach der Verlautbarung in Kraft treten, dies obwohl bereits eine Geltung ab 01.04.2024 angekündigt wurde. Diese Vorgehensweise ist jedenfalls abzulehnen und führt zu einer Verunsicherung der rechtssuchenden Bevölkerung.

Der ÖRAK fordert die Einführung verbindlicher Mindeststandards für Gesetzgebungsverfahren:
  • Ausreichende (zumindest sechswöchige) Begutachtungsfristen sind für eine gewissenhafte Auseinandersetzung mit Gesetzesentwürfen notwendig und einzuhalten.
  • Erst nach nachweislicher und umfassender Begutachtung sollten Regierungsvorlagen vom Ministerrat und Gesetze vom Nationalrat beschlossen werden.
  • Bei gravierenden Änderungen von Gesetzesentwürfen ist ein erneutes Begutachtungsverfahren vorzusehen.
  • Zudem muss in einem Rechtsstaat eine rechtzeitige Kundmachung der Gesetze erfolgen.